Artikel über das transaktionale Stressmodell nach Lazarus

Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus einfach erklärt

Stell dir vor, du bist unterwegs zu einem wichtigen Termin, und ausgerechnet heute fällt dein Zug aus. Du wirst zu spät kommen, Ärger mit deinem Chef bekommen und nicht pünktlich Feierabend machen können. Klingt das stressig? Vermutlich! Falls du heute aber einen freien Tag hättest, würdest du vielleicht gelassen reagieren, obwohl die Situation identisch ist. Gleiche Situation, unterschiedliche Bewertung, unterschiedliche Stressreaktion – genau darum geht es im Transaktionalen Stressmodell nach Lazarus!

Das transaktionale Stressmodell im Überblick

Wie entsteht eigentlich Stress? Diese Fragen haben die beiden Wissenschaftler Richard Lazarus und Susan Folkman im Jahr 1981 so beantwortet: Stress entsteht demnach als:

„Folge eines Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und Ressourcen“

und tritt dann auf, wenn

„Der Druck die wahrgenommene Fähigkeit zur Bewältigung übersteigt.“

Anders ausgedrückt: Wenn du glaubst, eine Situation gut mit eigenen Mitteln bewältigen zu können, empfindest du vermutlich auch keinen Stress. Fühlst du dich jedoch von einer Situation überwältigt und hast keine Idee, aus der Sache rauszukommen – dann wird es stressig.

Der Kernpunkt des transaktionalen Stressmodells: Nicht eine Situation an sich ist stressig, sondern deine Bewertung. Das Wort „transaktional“ beschreibt in diesem Zusammenhang eine Wechselwirkung zwischen einer Person und der Situation. Anders ausgedrückt: Nicht eine Situation an sich ist stressig, sondern wie du sie bewertest. Zwei Personen können die gleiche Situation unterschiedlich bewerten und entsprechend mehr oder weniger Stress empfinden.

Transaktionales Stressmodell nach Lazarus

Beispiel:
In der Nacht hat es kräftig geschneit. Annika erinnert sich an einen Autounfall bei winterlichen Bedingungen und fühlt sich gestresst. Johanna ist eine sichere Fahrerin und hat ohnehin genügend Zeit – sie ist entspannt. Gleiche Situation, unterschiedliche Bewertungen, unterschiedliche Stressreaktion.

Zusätzlich zur Bewertung werden im Modell auch Bewältigungsstrategien beschrieben und die Frage beantwortet: Wie können Menschen mit Stress umgehen? Mehr dazu findest du weiter unten.

Die Phasen des transaktionalen Stressmodells

Falls du es eilig hast oder dir ein knapper Überblick reicht, findest du hier das Stressmodell nach Lazarus in Kurzform:

  1. Primäre Bewertung: Hier bewertest du die Situation an sich. Ist sie positiv, negativ oder total egal?
  2. Sekundäre Bewertung: In diesem Schritt prüfst du, ob du über die Mittel verfügst, die Situation erfolgreich zu bewältigen. Falls du die Situation als negativ eingestuft hast und merkst, dass du sie vermutlich nicht bewältigen kannst – dann fühlst du dich höchstwahrscheinlich gestresst.
  3. Bewältigungsstrategien (Coping): Hier gehst du aktiv mit der Situation um, entweder durch gezielte Problemlösung (problemorientiertes Coping) oder Änderung deiner Gefühle (emotionsorientiertes Coping).
  4. Neubewertung: Mit allen nun vorhandenen Informationen – wie schätzt du die Situation nun ein?

Die Bewertungen finden oft übrigens unbewusst statt, sodass bestimmte Situationen zu einer sofortigen Stressreaktion führen. Dieses Modell hilft dabei, diesen unbewussten Prozess sichtbar und bewusst zu machen, damit du für dein eigenes Stressmanagement Lösungsansätze finden kannst. Das reicht dir noch nicht aus? Kein Problem – in den nächsten Abschnitten gehen wir ins Detail und haben auch ein paar Beispiele für dich.

Primäre Bewertung

Kernfrage: „Was wird mir passieren und wie wirkt sich das auf mein Wohlbefinden aus?“

Laut dem Transaktionalen Stressmodell kannst du eine Situation als positiv, bedrohlich (auch: belastend) oder irrelevant einschätzen. Falls du sie als positiv einschätzt, wirst du dich vermutlich motiviert und fokussiert fühlen. Betrachtest du eine Situation jedoch als negativ und bedrohlich, fühlst du dich wahrscheinlich bereits gestresst.

Beispiel:
Tom, Anna und Nadine stehen vor der gleichen Situation: einem Gespräch, bei dem über eine Beförderung entschieden wird. Tom nimmt dieses Gespräch als bedrohlich und belastend wahr – schließlich hängt seine Zukunft davon ab, ein Versagen wäre katastrophal! Anna hingegen sieht das Gespräch als Möglichkeit, sich positiv vor ihren Vorgesetzten zu präsentieren. Sie ist motiviert und zuversichtlich, dass sie das Gespräch gut meistern wird. Nadine ist das Gespräch völlig egal. Obwohl sie es noch niemandem gesagt hat, ist sie auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.
Gleiche Situation – unterschiedliche Bewertungen.

Sekundäre Bewertung

Kernfrage: „Schaffe ich das?“

In der sekundären Bewertung überprüfst du, ob deine vorhandenen Ressourcen ausreichen, um eine Situation zu bewältigen. Der Begriff „Ressourcen“ bezieht sich auf all die Dinge, die dir bei der Bewältigung von Lebenssituationen helfen, beispielsweise Stärken, Fachkenntnisse oder Unterstützung durch Freunde.

Lautet die Antwort „Nein, ich habe nicht genügend Ressourcen und werde das nicht schaffen!“ – dann wird eine Stressreaktion ausgelöst.

Beispiel:
Anna und Tom beurteilen ihre Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten. Tom fühlt sich unter Druck und hat das Gefühl, allein vor seinen Chefs bestehen zu müssen. Zudem weiß er, dass er unter Druck dazu neigt, sich zu verhaspeln und zu verzetteln. Diese negative Bewertung seiner Ressourcen verstärkt seine Stressreaktion.
Anna verlässt sich auf ihre bisher erbrachten Leistungen, fühlt sich selbstsicher und glaubt, dass ihre Kollegen ihre Leistung positiv vor den Chefs bewerten werden. Die Stressreaktion fällt bei beiden unterschiedlich aus: Tom sieht keine ausreichenden starken Ressourcen, um die Situation gut zu bewältigen – er empfindet starken Stress. Anna hingegen glaubt, das Gespräch gut meistern zu können und setzt auf ihre Fähigkeiten und Unterstützung – ihre Stressreaktion fällt deutlich schwächer aus.

Wichtig:
Die primäre und sekundäre Bewertung im transaktionalen Stressmodell laufen nicht zwingend nacheinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn Anna von Beginn an glaubt, mit ihren Ressourcen das Gespräch gut zu meistern, wird sie es in der primären Bewertung auch nicht als Bedrohung einschätzen.

Anwenden von Bewältigungsstrategien

Kernfrage: „Wie gehe ich mit der Situation um?“

Wenn du die Situation als stressig empfindest, wirst du einen Weg finden (müssen), mit ihr umzugehen. Die Stressbewältigung wird als Coping (Bewältigungsstrategien) bezeichnet. Im transaktionalen Stressmodell nach Lazarus werden zwei Arten unterschieden:

  1. Problemorientiertes Coping: Hier versuchst du, die Situation gezielt mit Handlungen zu beeinflussen. Du suchst dir beispielsweise Unterstützung, änderst deine Prioritäten oder gehst auf Lösungssuche.
  2. Emotionsorientertes Coping: Hier versuchst du hingegen, den persönlichen Umgang mit einer stressigen Situation zu verändern, beispielsweise durch das Eingehen von Kompromissen, eine positivere Herangehensweise oder Entspannungsübungen.

Beispiel:
Bleiben wir bei Tom, den sein Gespräch mit den Chefs sehr stresst. Er sitzt mit schwitzigen Händen im Vorzimmer und wendet gezielt emotionsorientiertes Coping an: Er lenkt sich mit seinem Smartphone ab und führt ein paar Atemübungen durch, um sein Erregungslevel zu senken.

Ein paar weitere Beispiele findest du in dieser Tabelle:

Problemorientiertes CopingEmotionsorientiertes Coping
Marc steht vor einer wichtigen Prüfung und erstellt einen detaillierten Lernplan, um sich optimal vorzubereiten.

Katja ist in ihrem Job überlastet und delegiert bestimmte Aufgaben an Kollegen, um ihre Arbeitsbelastung zu verringern.

Nico hat Probleme mit Schimmel in seinem Haus und beauftragt einen Fachmann, um das Problem zu beheben.
Jakob erhält eine schlechte Nachricht. Er nimmt sich Zeit für sich selbst, um seine Gefühle zu verarbeiten, und sucht Unterstützung bei Freunden und Familie.

Sarah hat Probleme, mit einem ihrer Kollegen zu arbeiten. Sie übt Entspannungstechniken ein, um in hitzigen Situationen ruhig zu bleiben.

Maria muss eine schwierige Entscheidung treffen. Sie schreibt ihre Gedanken und Gefühle in einem Tagebuch auf, um herauszufinden, was ihr wirklich wichtig ist.

Neubewertung

Kernfrage: „Stimmt meine erste Bewertung, oder kann ich sie anpassen?“

In diesem Schritt des Transaktionalen Stressmodells wird die vorher bewertete Situation noch einmal neu bewertet. Greif dir alle Informationen aus den vorigen Schritten über Ressourcen und Bewältigungsstrategien und frage dich:

  • Ist die Situation vielleicht doch nicht so bedrohlich, weil du eine neue Perspektive auf das Problem hast, nächste Schritte vor dir siehst oder Unterstützung hast?
  • Oder schätzt du eine Situation womöglich noch bedrohlicher ein, weil du keinen Ausweg siehst?

Je nach Antwort auf diese Fragen, wirst du dich entweder noch gestresster fühlen, oder aber entspannen können. Falls sich die Situation als noch bedrohlicher präsentierst, wirst du weitere Bewältigungsstrategien suchen.

Beispiel:
Tom schätzt die Situation nach wie vor als sehr stressig ein – es hängt einfach so viel davon ab! Außerdem merkt er, dass die Atemübungen überhaupt nicht funktionieren, und er immer nervöser wird. In einem Stressmanagement-Seminar hat er gelernt, dass er mit Bewegung Stress abbauen kann. Mit einem Blick auf die Uhr bestätigt sich: Ja, er hat noch ein paar Minuten Zeit, geht zurück in sein Büro und macht ein paar Kniebeuge.

Fazit

Was solltest du mitnehmen? Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus verdeutlicht, dass Stress nicht nur von äußeren Faktoren abhängt, sondern von der Bewertung der Stressoren und Ressourcen beeinflusst wird. Stress ist also häufig Kopfsache – und daran kannst du arbeiten. Falls du einen genaueren Blick auf deine wichtigen Ressourcen werfen möchtest, dann wirst du im Artikel zum Ressourcenrad fündig.

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