Es ist nicht immer "alles gut!"

Es ist nicht immer „alles gut!“

Nein, es ist nicht immer alles gut!

Ich kann es nicht mehr hören. Überall verwendet: bei Jung und bei Alt. Alle sagen es! Es ist diese Wortkombination, die mich auf die Palme bringt: “Alles gut!” Dies scheint zu einem generischen Ausdruck für jede – aber wirklich jede! – Gelegenheit zu sein.

  • “Oh, ich hab leider vergessen, dir die Infos zu schicken” – Antwort: “Alles gut!”
  • “Das Brot ist alle, du musst dir jetzt was anderes zum essen suchen!” – Antwort: “Alles gut!”
  • “Ich würde das so und so machen!” – Antwort: “Alles gut, jaah!”
  • Skurriler Exkurs: Ich hörte einem Dialog zweier Frauen an der Supermarktkasse zu. Der gestaltete sich wie folgt: Frau 1: „Alles gut?!“. Antwort Frau 2: „Alles gut!“

Ich gebe zu: Ich frage mich schon seit längerem, warum mich das so stört.

Warum regt mich diese vermeintlich besänftigende, eigentlich total normale Antwort auf Fragen aller Art so auf? Ich hab mal in mich reingehört und mich gefragt:

Warum stört mich das so?

  1. Es klingt wie ein Allheilmittel: Ein böses Allheilmittel. So wie ein Antibiotikum das alles abtötet, was ihm in den Weg kommt. Damit ist so ziemlich alles weggewischt, ausgelöscht, was vorher da war.
    Negative Emotion – Alles gut!
    Angst und Verlust – Alles gut!
    Wut – Alles gut! (in dem Fall: nicht alles was sich reimt ist gut!).
    Ich wünsche mir aber eine richtige Reaktion auf mein Anliegen. Eine Antwort, die nicht pauschal gültig ist.
  2. Es fühlt sich abweisend an: Da kommt mein junger dynamischer Kollege zu meiner etwas schroffen, direkten Kollegin. Er holt aus und erklärt detailliert, warum er es nicht zu dem 11 Uhr-Teammeeting geschafft hat.Es tut ihm spürbar leid, es ist ihm peinlich und er will es irgendwie wieder gut machen.Sie reagiert mit: “Alles gut!”. Da fühle sogar ich, als außenstehende Dritte, einen kleinen Stich der Zurückweisung. Gut, vielleicht ist diese Betrachtung per se mein Problem, da ich allergisch auf “Alles gut!” reagiere.Aber mir ging es schon oft ähnlich. Ich kann es nicht abschalten. Für mich hört sich “alles gut!” so an: Oh Mensch, stell dich nicht so an. Mach dich locker. Warum regst du dich so auf. Ist doch alles gut.Gefühlt mindert diese Reaktion das Anliegen, das ich hab. Ich versuche jemandem zu erklären, warum, was war und die Reaktion ist ein simples “Abtun”!
  3. Last but not least: Es ist inhaltlich auch einfach nicht korrekt. Es nicht immer alles gut! Ich kann dir locker eine gute Liste an Dingen aufzählen, die während meines Tages nicht gut gelaufen sind.Klar hab ich auch die Liste mit den Dingen, die super gelaufen sind und darauf fokussiere ich mich auch.

Nicht falsch verstehen- ich bin der Typ “Glas halb voll!” Ehrlich.
Dennoch kann ich von mir sagen, dass nicht immer alles gut ist. Das Verhältnis von meinem Hosenbund zu meinem Bauchumfang ist aktuell nicht gut. Dass ich so unglaublich müde jeden Tag bin, ist nicht gut. Und ich behaupte, dass ich das auch von der Welt sagen kann. Dass was da in dem großen weiten Kontinent übers Meer passiert, ist nicht gut!

Basta!
So. Damit genug aufgeregt.
Aber… ich muss sagen: es fühlt sich gut an. Endlich ist es mal raus. Und ich bin auch total gespannt, wie du das siehst. Es kann ja sein, dass ich die einzige Person auf dieser Welt (oder sagen wir besser im deutschsprechenden Raum) bin, die sich darüber aufregt.

Ich weiß schon, was dahinter steht

Klar kann ich verstehen, was “alles gut” transportieren soll:

  • Mach dir keine Sorgen
  • Ist nicht schlimm
  • Wir kriegen das schon hin

Hier mein Appell

Lasst uns doch wieder diese wundervolle Vielfalt an Worten verwenden, die uns zur Verfügung stehen. Lasst uns nicht alles mit den zwei Wörtern “alles gut!” einfach so vom Tisch wischen. Schluss mit der Weichspülerei. Ehrliche Worte, klare Aussagen. Freiheit für die Worte!

Fazit für mich

Die schlimmste Wortkombination des Jahres. Ich werde nicht müde, meine Meinung kund zu tun und hoffe, dass ich den ein oder anderen davon abbringen kann, zu vieles mit „alles gut!“ zu quittieren. Auch wenn es sich ein klein wenig wie Don Quijote vor den Windmühlen anfühlt. 😉

Sag doch mal, wie du das findest. Regt dich das auch auf? Oder findest du es richtig gut? Wenn ja: warum? Schick uns einfach eine Mail. Wir freuen uns!

Bildnachweis: CC0 Lizenz über Stencil

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