Ich bin in meinem Leben bisher zwei Marathons gelaufen. In Edinburgh und New York. Also so richtig, die volle Distanz. 42,195 Kilometer. Wahnsinn, wirklich! So richtig kann ich mir noch immer nicht vorstellen, dass ich diese Strecke laufend überwunden habe – zwar schneckenlangsam, aber immerhin! Und das für die Einserschülerin, die nur in Sport immer eine 3 oder 4 hatte. Finde ich schon beachtlich.
Mein Einstieg ins Laufen
Aber noch einmal zurückgespult: Seit ich 16 bin, laufe ich mehr oder weniger regelmäßig. In den ersten Jahren zugegeben eher sporadisch, mit regelmäßigen Pausen während der Wintermonate … und auch sonst, wenn ich keine Lust hatte. Laufen war einfach eine kleine Nebenbei-Beschäftigung, ohne jegliche Ambitionen.
Und dann kamen die Wettkämpfe
Ach … 10 Kilometer am Stück müssten doch funktionieren, oder? Irgendwann habe ich mir ein Buch gekauft, Trainingspläne gewälzt. Perfekt für einen Planungs-Freak wie mich! Ich hatte ein Ziel und einen Fahrplan, das Ziel zu erreichen – perfekt! Also lief ich regelmäßiger, weiter – und immer noch langsam. Aber egal.
Immer mal wieder hab ich an Laufwettkämpfen teilgenommen. Natürlich nur an möglichst großen, weil es dort ebenso viele langsame Läufer wie mich gab. Wie frustrierend mein erster Halbmarathon war, als die Verpflegungsstationen schon abgebaut wurden – das wollte ich nicht nochmal erleben!
Das große Ziel: Marathon!
Für viele leistungsgetriebene Menschen wie mich steht der heilige Gral des Laufens irgendwann vor der Tür: Einmal Marathon laufen, das muss doch gehen! Nach Halbmarathons und zwei 31-Kilometer-Läufen, kann dieser Schritt nicht sooo schwierig sein.
Also: Mehr trainiert. Viel mehr gelaufen, häufiger, weiter. Und das hat echt geschlaucht. Typisch für mich: Ich musste meinen ersten Marathon ja auch in eine Phase legen, in der ich an jedem Wochenende 1.300 Kilometer auf Autobahnen und lange Tage im Büro verbracht habe. Ergebnis: Mein erster Marathon war echt eine Qual. Edinburgh war toll und ich ein Wrack.
Mein zweiter Marathon
Warum ich mir das nochmal antun wollte? Das frag ich mich heute noch. In einer spontanen Nacht- und Nebelaktion hab ich mich zum New York-Marathon angemeldet. Wer hat schon das Glück, bei einer Anmeldung gleich einen Startplatz zu bekommen? Ähm … ich. Wieder praktisch: Dieser Termin fiel in einen Zeitraum mit einem anstrengenden Jobwechsel – perfektes Timing!
Fazit dieses Mal: Das Training lief extrem gut, der Marathon hat trotzdem nicht „funktioniert“. Ja: Ich bin über die Ziellinie gelaufen, ohne Blessuren und glücklich. Aber fluffig leicht, wie ich es mir gewünscht habe? Nix da!
Der große Cut
Nach New York lief lauftechnisch nicht mehr viel. Vieles kam zusammen: Immer wieder Knieprobleme, hartnäckige Infekte, Trainingspausen. Sobald ich wieder angefangen habe mit dem Training, kam der nächste Hammer. Extrem nervig.
Ein Fitnesstrainer meinte, viele Frauen seinen anatomisch gesehen nicht geeignet zum Laufen (breite Hüften = Knieprobleme, so ein Blödmann!). Aha. Ein Sportarzt fragte mich, ob ich nicht lieber Radfahren möchte, wenn ich immer Knieprobleme habe. Äußerst motivierend, wirklich.
Weiterhin empfinde ich regelmäßiges Training als sehr schwierig, wenn ich viel auf Reisen bin. Meinen Startplatz beim Berlin-Marathon (mein Traum!) ließ ich verfallen. Das war vor zwei Jahren. Und was ist seitdem passiert?
Alles wieder auf Anfang
Ich habe mich selbständig gemacht, viel gearbeitet, bin in ein anderes Land gezogen. Regelmäßiges Lauftraining: Fehlanzeige.
Was mich früher frustriert hätte, fühlt sich nun überraschend … entspannt an! Denn seit der erste Winter am Polarkreis überstanden ist, laufe ich wieder regelmäßig. Und zwar so wie früher: Immer dann, wenn ich Lust habe. Was erstaunlicherweise 2-3 Mal pro Woche der Fall ist, und das ohne Plan und ohne Zwang. Dann laufe ich eben nur 5 Kilometer, na und? Hauptsache, ich hab mich bewegt und es genossen. Ich bin so langsam wie nie zuvor – und genieße es sogar. Hab ich einen guten Tag, freue ich mich, und wenn nicht, bleib ich stehen und sauge frische Waldluft in mich auf.
Fühlt es sich blöd an? Trauere ich meiner früheren Laufform nach? Nein! Überraschenderweise fühle ich mich pudelwohl mit der jetzigen Situation. Kein Plan, kein Stress. Laufen rein zum Rauskommen, zum Bewegen, zum Luftschnappen. Ohne Zeit- oder Distanzvorgaben. Auf gewisse Weise fühlt sich diese entspannte Herangehensweise für mich beinahe wie die größte Leistung überhaupt an – auch wenn das nicht so recht in eine „Höher-Schneller-Weiter“-Stimmung in der Gesellschaft passt.
Fazit
Meine Lauf“karriere“ hat mir viele schöne Momente beschert. Vielleicht ist die schönste Erkenntnis, dass ich mich nicht zu neuen Leistungen pushen muss, sondern es auch entspannt angehen kann. Und vielleicht hatten die Experten ja doch recht: Seit ich weniger laufe und stattdessen mehr Wert auf Kraftübungen lege, sind die Verletzungen wie weggeblasen. Womöglich ist mein Körper nicht gebaut für die wirklich langen Distanzen. Vielleicht war er auch einfach nicht darauf vorbereitet. Ohne Kraft war der Körper zu schwach, die Distanz zu meistern.
Und doch wäre ich nicht ich selbst, würde ich nicht mal wieder mit einer Laufveranstaltung liebäugeln – es muss ja nicht gleich ein Marathon sein 😉
Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Hast du auch schon mal irgendwo zurückgefahren und dich dabei wohl gefühlt?
Bildnachweis:Photo by Kristian Olsen on Unsplash
Hallo Andrea,
Mir ging es ähnlich. Ich war früher im Leichtathletikverein, habe mehrmals pro Woche trainiert, habe an Rennen teilgenommen. Gut, Marathon wie du, dazu noch in Edinburgh und New York, bin ich nie gelaufen, war auch nie mein Ziel. Bis zum Studium, danach im Berufsleben standen Wettkämpfe nicht mehr im Focus, aber weiterhin das regelmäßige Training. Dann kam noch Familie dazu und aus regelmäßig wurde „spontan“ und auf Grund von noch weniger Zeit „eher selten“.
Nun, seit geraumer Zeit habe ich mir aber wieder ein Ziel gesetzt. Nein, keinen Wettkampf, aber aus „ich gehe selten Laufen“ sollte werden: regelmäßig, und zwar mindestens 1x pro Woche. Dafür habe ich mir einen fixen Tag in der Woche gesetzt und fest in die Planung integriert. Und als Backup, für den Fall „live got in between“ an dem Tag, gibt es zwei Ausweichtage, welche ich nach Möglichkeit zu einem 2. und 3. Training pro Woche nutze.
Das Resultat: ich habe es geschafft, dass ich mindestens 1x pro Woche, in vielen Fällen dank der Ausweichtage sogar 2x regelmäßig meine Turnschuhe schnappe. Mehr Zeit als vorher hab ich dennoch nicht, ich kann es aber besser einplanen als in der Vergangenheit nach dem Motto „wenn noch Zeit ist, dann…“. – sprich der nun feste Plan (ein Tag fix, zwei als Ausweich) hat mir geholfen.
Und dann handhabe ich es wieder ähnlich wie du – es gibt Tage, da läuft es sich super, da lauf ich meine 15km und an Tagen, wo es nicht so läuft, dann sind es eben weniger. Dabei hilft mir wiederum meine Streckenplanung – quer durch den Wald, wo ich je nach Befinden die Strecke spontan durch andere Wege in der Länge variiere. Am Ende zählt die Entspannung in herrlicher Natur.
Fazit: der Wettkampf muss nicht unbedingt das große Ziel sein. Bei mir heißt das Ziel „1x pro Woche“. Und wer weiß, vielleicht kommt dann mal spontan als Nebenprodukt wieder eine Wettkampfanmeldung, völlig ohne Zwang.
Hey Walter,
das hört sich super an! Besonders toll ist der Plan, den du dir abgeleitet aus deinen Zielen erstellt hast. Nur so funktioniert es ja auch, denn wenn du das nicht fix einplanst, kommt dir sicherlich immer wieder mal „das Leben dazwischen“. Und Respekt: 15 km läuft man nicht eben mal so. Da hast du schon ne gute Grundausdauer, auf die du zurück greifen kannst.
Prima! Bleib dran und – halt uns auf dem Laufenden, falls du mal wieder an einem Wettkampf teilnimmst. Dann können wir dir die Daumen drücken 😉
Viele Grüße
Lea