Das Salutogenese-Modell einfach erklärt

Du hast irgendwo vom Salutogenese-Modell gehört, komplizierte Grafiken mit vielen Kästchen gesehen, bist aber immer noch unsicher, was es genau damit auf sich hat? Kein Problem – in diesem Artikel schauen wir mal genauer hin!

Hinweis:
Falls du eine wissenschaftliche Abhandlung zum Salutogenese-Modell suchst, dann schau dich am besten in Fachbüchern um. In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Elemente und vereinfachen an einigen Stellen, um das Modell so verständlich wie möglich und mit einem klaren Bezug zum Thema „Stress“ erklären zu können.

Was ist das Salutogenese-Modell?

Die Salutogenese-Modell wurde erstmals 1977 vom Soziologen und Psychologen Aaron Antonovsky vorgestellt und stellt eine Art Gegenentwurf zur Pathogenese dar. Während die Pathogenese sich mit der Entstehung und Entwicklung von Krankheiten beschäftigt, stellt Antonovsky mindestens genauso spannende Fragen in den Raum:

  • Was lässt uns Menschen gesund bleiben, trotz bestehender Risikofaktoren?
  • Wie können wir unsere Gesundheit fördern?
  • Wie schaffen wir es, uns von Krankheiten wieder zu erholen?
  • Warum werden bestimmte Menschen nicht krank, obwohl sie starken Belastungen ausgesetzt sind?

Das Modell basiert auf der Annahme, dass wir Menschen Belastungen wie Stress und Krankheit besser bewältigen können, wenn bestimmte Faktoren stark ausgeprägt sind. Dazu gehören Ressourcen (wie zum Beispiel soziale Unterstützung) und das sogenannte Kohärenzgefühl. Klingt noch kompliziert? Keine Sorge – wir gehen auf alle Faktoren näher ein.

Zunächst jedoch zu einem der wichtigsten Konzepte des Salutogenese-Modells: der Betrachtung von Gesundheit und Krankheit.

Über Gesundheit und Krankheit

Laut Antonovsky ist kein Mensch komplett gesund oder vollständig krank. Stattdessen bewegen wir uns auf einem Kontinuum oder einer Art Skala, wobei Gesundheit und Krankheit im Laufe der Zeit verschiedene Anteile einnehmen können.

Wie groß der Anteil von Gesundheit bzw. Krankheit ausfällt, hängt von unzähligen Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen ab. Keine Frage: Eine einfache Formel für die ultimative Gesundheit gibt es nun einmal nicht. Sieh das Thema eher wie einen Prozess, den wir aktiv beeinflussen können.

Im Salutogenese-Modell lautet also eine der wichtigsten Fragen: Wie gelingt es uns, den Regler möglichst weit in Richtung Gesundheit zu schieben?

Gesundheit und Krankheit im Salutogenese-Modell

Die zentralen Faktoren des Salutogenese-Modells

Stressoren und Spannungszustände

Stressoren sind Reize, die auf uns Menschen einwirken und dadurch Spannungszustände auslösen. Dabei werden zwei Arten von Stressoren unterschieden:

  • Innere Stressoren: Grübeln, Selbstzweifel und Perfektionismus sind typische Auslöser, die uns stressen. Obwohl wir sie selbst beeinflussen können, ist das oft leichter gesagt als getan – viele Denk- und Verhaltensmuster begleiten uns oft schon seit unserer Kindheit.
  • Äußere Stressoren: Auch Einflüsse von außen können Stress verursachen. Typische Beispiele sind finanzielle Probleme, Lärm oder hohe Arbeitsbelastung. Oft können wir diese Stressoren nicht direkt beeinflussen – hier zählt der richtige Umgang.

Im Salutogenese-Modell werden Stressoren nicht automatisch als negativ betrachtet. Falls ein Mensch einen Spannungszustand erfolgreich bewältigt, dann kann der Schieberegler auch in Richtung Gesundheit wandern.

Beispiel:
Du bist extrem aufgeregt vor einer Prüfung, die du aber problemlos meisterst. Obwohl die Situation an sich stressig war, wirst du mit einem gestärkten Selbstbewusstsein aus der Situation gehen.

Äußere Stressoren wie Giftstoffe, Lärm oder Naturkatastrophen können unseren Schieberegler schnell in Richtung „Krankheit“ verschieben – nicht immer können wir direkt etwas dagegen tun. Besonders bei den inneren Stressoren kommen jedoch die anderen Faktoren des Salutogenese-Modells ins Spiel, um uns eher in Richtung Gesundheit zu bewegen, nämlich Ressourcen und Kohärenzgefühl.

Moment mal … Ressourcen und Kohärenzgefühl? Diese Begriffe sind im Salutogenese-Modell extrem wichtig und brauchen unbedingt eine Erklärung. Beginnen wir mit den Ressourcen!

Ressourcen

Antonovsky spricht in seinem Salutogenese-Modell von „Generalisierten Widerstandsressourcen“. Generalisiert bedeutet in diesem Fall „verallgemeinert“ und heißt nichts anderes, als dass die vorhandenen Ressourcen in verschiedenen Situationen angewendet werden können.

Kurz gesagt: Ressourcen sind all die Dinge, die dir bei der Bewältigung von Lebenssituationen helfen – kleinen wie großen. Ressourcen können verschiedenster Art sein, hier nur ein paar Beispiele:

  • Wissen und Intelligenz
  • Materielle Ressourcen
  • Soziale Kontakte
  • Religion
  • Genetische Konstitution
  • Gesundheit

Mehr über das Thema „Ressourcen“ im Stressmanagement findest du in diesem Artikel.

Ressourcen werden unter anderem aus dem sogenannten sozio-kulturellen Kontext gespeist. Vereinfacht gesagt: Je positiver die Lebenserfahrungen und je unterstützender das Umfeld, desto mehr Ressourcen stehen einer Person zur Verfügung – und desto stärker ist auch das sogenannte Kohärenzgefühl ausgeprägt.

Kohärenzgefühl

Der etwas sperrige Begriff der „Kohärenz“ bezeichnet im Salutogenese-Modell eine Art Grundhaltung und Gefühl des Vertrauens, das Leben und die Umwelt verstehen und mit den eigenen Ressourcen meistern zu können. Je stärker das Kohärenzgefühl ausgeprägt ist, desto leichter fällt es uns Menschen, mit Herausforderungen und unserer komplexen Welt umzugehen.

Die Kohärenz hat drei Bestandteile:

  1. Gefühl von Verstehbarkeit: Je besser wir unsere Umwelt, Ereignisse und Entwicklungen verstehen und erklären können, desto höher das Kohärenzgefühl.
  2. Gefühl von Machbarkeit: Kann ich eine Aufgabe mithilfe meiner Ressourcen lösen? Falls ja, dann fühlt sich das gut an!
  3. Gefühl von Sinnhaftigkeit: Wir alle fühlen uns besser, wenn unsere Handlungen einen Sinn haben und einen bestimmten Zweck erfüllen.
Kohärenzgefühl im Salutogenese-Modell

Beispiel:
Deine Chefin weist dir eine aufwändige und komplizierte Aufgabe zu, die schnell erledigt werden muss, weil deinem Arbeitgeber sonst eine hohe Vertragsstrafe droht. Je nach deinem Kohärenzgefühl wird es dir besser oder schlechter gelingen, den Spannungszustand auszuhalten:
In einem Fall verstehst du, dass jemandem ein Fehler unterlaufen ist und du der beste Kandidat zur Lösung bist. Du hast ähnliche Aufgaben schon früher auch unter Zeitdruck bewältigt und glaubst: „Wird hektisch, aber das schaff ich!“ Wenn dir dann noch bewusst ist, dass du deinen Arbeitgeber vor einer hohen Strafe schützt, fühlt sich das sinnvoll und bedeutsam an.
In einem anderen Fall verstehst du absolut nicht, warum immer du solche Dinge erledigen musst, obwohl andere besser geeignet wären. Du hast schon so viele Aufgaben auf dem Tisch, sodass die Deadline absolut nicht einzuhalten ist. Und warum auch? Das Unternehmen ist sowieso schon fast pleite – deine Arbeit hat überhaupt keinen Sinn mehr!

Dieses Beispiel beschreibt eine konkrete Situation, das Kohärenzgefühl eines Menschen bezieht sich jedoch oft auf alle Lebensbereiche: Wer ein hohes Maß an Kohärenz in sich spürt, der wird Stressoren weniger stark wahrnehmen und Situationen eher als Herausforderung statt als Belastung ansehen.

Salutogenese-Modell

Das Salutogenese-Modell im Stressmanagement

Wie spielt nun alles zusammen und wie kannst du das Salutogenese-Modell im Stressmanagement nutzen? Schauen wir noch einmal auf die Faktoren:

  • Stressoren analysieren und reduzieren: Natürlich können wir nicht alle Reize aus unserem Leben verbannen – das wollen wir auch gar nicht. Trotzdem lohnt sich ein Blick auf deine Stressoren: Zu hohe Ansprüche an dich selbst? Daran kannst du arbeiten! Ein früherer Freund verursacht nur noch Ärger? Manche Beziehungen kannst du auch kappen.
  • Ressourcen bewusst machen und stärken: Besonders in stressigen Situationen neigen wir Menschen zu einer Art Tunnelblick, in dem wir wichtige Ressourcen nicht mehr wahrnehmen. Nutze beispielsweise das Ressourcenrad, um dir deine Ressourcen bewusst zu machen. Achte auch darauf, sie im entscheidenden Moment auch einzusetzen, zum Beispiel, indem du dir bei einer nahestehenden Person Rat holst. Übrigens: Auch ein starker und gesunder Körper ist eine wichtige Ressource – auch daran kannst du arbeiten.
  • Kohärenzgefühl stärken: Es ist nicht immer ganz einfach, das Kohärenzgefühl mit einer gezielten Maßnahme zu stärken, schließlich ergibt es sich aus einem komplizierten Gerüst aus unseren Erfahrungen, Ressourcen und Denkmustern. Laut Antonovsky ist das Gefühl der Bedeutsamkeit das wichtigste der drei Elemente – und auch hier kannst du ansetzen. Welche Dinge in deinem Leben sind dir wichtig, erscheinen dir sinnvoll und bedeutsam? Wie kannst du mehr davon erleben?
  • Stressbewältigung lernen: Im Salutogenese-Modell führen nicht-bewältigte Spannungszustände tendenziell zu mehr Krankheit, besonders wenn solche Situationen häufig oder dauerhaft vorkommen. Auch hier kannst du ansetzen: Die meisten Menschen glauben, dass Stress „von außen“ kommt und nicht beeinflussbar ist – der vielleicht größte Irrtum im Stressmanagement. In unserer Coaching-Arbeit erleben wir immer wieder, wie durch einfach Stellschrauben Denk- und Verhaltensmuster so geändert werden können, dass schwierige Situationen plötzlich erfolgreich bewältigt werden können.

Fazit

Was hält uns Menschen gesund? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich Antonovsky in seinem Salutogenese-Modell. Mit diesem Modell schafft er Ansätze, wie jeder von uns durch einen Fokus auf Ressourcen und Kohärenz besser mit Stress umgehen und den Schieberegler in Richtung Gesundheit verschieben kann.

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