Entspannung! Schönes Zielbild oder Symbol für Untätigkeit? Wenn wir mal ehrlich sind, wird Entspannung in unserer Gesellschaft oft abgetan als Zeitverschwendung. Heutzutage untätig sein – für viele das absolute “No Go”. Stattdessen müssen wir immer was zu tun haben – ein voller Terminkalender steht für unsere Wichtigkeit. Und selbst wenn du das nicht so siehst: Findest du genügend Entspannung in deinem Alltag?
Warum Entspannung für einen gesunden Umgang mit deinem Stress eine ganz zentrale Rolle spielt – das erfährst du in diesem Artikel!
„Meditiere 20 Minuten täglich, es sei denn du hast keine Zeit, dann meditiere eine Stunde”
Zen-Weisheit
Wie unser Körper akuten Stress automatisch reguliert
Erinnere dich: Stress ist nicht – per se – schlecht, schlimm oder böse. Im Gegenteil: Stress aktiviert unseren Sympathikus – ein aktivierender Modus, in dem wir Aufgaben effizient und effektiv angehen können.
Unser Körper ist so schlau, dass er nach einer akuten Stressaktivierung in der Regel von alleine wieder runterfährt: Der Parasympathikus (der Erholungsmodus) löst den Sympathikus ab. Wir erholen uns, Zellen werden wieder erneuert, es bleibt Zeit für Verdauung und Immunabwehr.
Für den Wechsel von Sympathikus und Parasympathikus – also von Anspannung und Entspannung – ist unser Körper gut ausgelegt.
Was passiert bei Dauerstress?
Wenn wir dauerhaft unter Strom stehen, kann der Körper das Gleichgewicht nicht mehr herstellen. Besonders lange oder auch besonders intensive Stressphasen ohne entsprechende Entspannungsphasen können zu unguten gesundheitlichen Entwicklungen führen: Deine Immunabwehr sinkt, du hast Verdauungsprobleme, Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System, deine mentale Gesundheit und dein Wohlbefinden sinken. Langfristig sinken somit deine Leistungsfähigkeit und deine Konzentration. Kennst du vielleicht aus stressigen Phasen: Du bist eher fahrig, dir fällt mal was runter und du bist äußerst angespannt
Stressbewältigung: So nicht!
Wie läuft es denn im “echten Leben”? Es gibt viele Menschen, die stark unter Druck stehen, mehrere Bälle gleichzeitig jonglieren und die Auswirkungen von zu viel Stress bereits spüren. Deren Wunsch: Sie würden gern schnell diesen “lästigen Stress” loswerden. Am liebsten zack, zack.
Gäbe es eine “Anti-Stress-Pille”, würden viele Menschen diese für einen horrenden Preis kaufen. Diese Menschen wollen direkte Lösungen – schnell, unkompliziert. Eine Art Heilung vom Stress. Und gerade diese Menschen wollen auf gar keinen Fall “runterfahren”, denn das liegt nicht in ihrem Naturell. Sie sehen darin Schwäche, verlorene Zeit und – weil von der Gesellschaft so negativ belegt – Untätigkeit bis hin zur Faulheit. Jedoch funktioniert die schnelle Pille nicht – und auch kein zack, zack. Lass mal schauen, warum das so ist:
Normalfall: Alles in der Balance
Stell dir doch mal kurz eine ganz normale Alltagssituation vor – bestehend aus: aufstehen, Kaffee kochen, frühstücken, Zeitung lesen, kurz Sonne genießen, ins Auto setzen, irgendwo hinfahren, in den Stau kommen, auf der Arbeit ankommen, Aufgaben bewältigen, Einkaufen gehen, mit den Kindern spielen, den Tag ausklingen lassen. Gerne kannst du auch einfach mal deinen “Standard-Tag” vor deinem inneren Auge ablaufen lassen.
Normalerweise wechseln sich Anspannung und Entspannung ab. Wir haben Stressoren, die auf uns wirken (der nervige Stau, die knifflige Aufgabe, die Verspätung beim Termin, der nörgelnde Kollege, die lästigen Gedanken, …), aber wir können auch gut auf unsere Ressourcen zugreifen (ruhig bleiben, durchatmen, uns eine Pause gönnen, geduldig abwarten, respektvoll kommunizieren). Alles ist in einer Balance.
Stressoren und Ressourcen sind in einem guten Verhältnis zueinander. Stressoren sind z.B.:
- Termine
- Konflikte
- Lärm
- Stau
- Negative Glaubenssätze
- Anforderungen
- Zeitnot
Ressourcen sind z.B:
- Stärke
- Ruhe
- Motivation
- Zähigkeit
- Akzeptanz
- Gesundheit
- Selbstfürsorge
- Empathie
- Geduld
- Respekt
Wir haben dazu ein Sinnbild für dich: Vergleiche es mit Wolken am Himmel! Es gibt kleine Stresswolken, die vorbeiziehen und auf dich wirken, und es gibt kleine Ressourcenwolken, aus denen du deine Kraft beziehen kannst. So sieht es aus, wenn du in der Balance bist.
Wie sieht das aus bei Dauerbelastung?
Das Bild verändert sich stark, wenn du unter Dauerbelastung stehst. Dann bist du von einer dicken Stresswolke umgeben und kommst nicht mehr an deine Ressourcen ran. Dazu kommt, dass dein Gehirn immer einen Weg findet, um die Spannung abzubauen – meist äußert es sich in Kopfschmerzen, sorgenvollen Gedanken, Verspannungen oder aber dysfunktionalen Verhaltensmustern (zu viel essen, zu viel trinken,…).
Wo können die belastenden Stressoren herkommen?
- Von außen (Termine, Social Media, Großraumbüro, volle Straßen, knackige Deadlines, viel Arbeit, …)
- Von innen (In Form von innerer Anspannung: dein Gehirn unterscheidet nämlich nicht zwischen Realität und Fiktion)
Übrigens: Auch angenehme Tätigkeiten können dazu führen, dass du ermüdest oder erschöpft bist. Also auch dann, wenn dir deine Arbeit Spaß macht, brauchst du Erholungspausen. Es geht immer um den Wechsel aus Anspannung und Entspannung, nicht um den Wechsel aus unangenehmer und angenehmer Anspannung.
Warum ist das so – ein kurzer Exkurs zu unserem Gehirn
Lass uns einen kleinen Blick auf das werfen, was in deinem Hirn passiert, während du unter Stress stehst:
- Eine große Rolle spielt der präfrontale Kortex. Das ist so was wie der Arbeitsspeicher unseres Hirns und hier entsteht auch die Stresswahrnehmung. Dort werden permanent Millionen von Informationen gefiltert und verarbeitet. Also wie eine große Informations-Management-Zentrale.
- Gleichfalls agiert dieser Bereich wie eine Emotions-Management-Zentrale: Sie steuert die Belastungsreaktionen des Gehirns und löst z.B. bei Überforderung Stress-Gefühle aus.
- Prasseln nun dauerhaft, ohne Pause zu viele Informationen auf diesen Bereich ein, dann kann es sein, dass die Kapazität des Arbeitsspeichers erreicht wird. Der präfrontale Kortex verhält sich dann ähnlich wie der Prozessor eines Rechners, auf dem zu viele Programme geöffnet sind: Der Rechner wird langsamer oder stürzt ab. Das Gehirn kann dann nicht mehr effizient arbeiten, es kommt zu Stress- und Überlastungsgefühlen. Du hast keinen Zugriff mehr auf deine Ressourcen.
“Wer unter Stress steht, der wird sich leicht in seiner Situation festfahren, verrennen, der ist eingeengt und kommt aus seinem gedanklichen Käfig nicht heraus” (Quelle: Spitzer 2002, S. 171)
Über solche Phänomene kann jeder berichten, der bei einer Prüfungssituation ein “Black Out” hatte oder dem auf voller Bühne auf einmal alle Worte entfallen sind. (Quelle: Thompson 2016, Das Gehirn: Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung)
Während die Festplatte mit allen logischen Gedanken und Verhaltensweisen abgestürzt ist, übernimmt ein viel älterer Bereich unseres Gehirns die Regie. Und dieser Bereich liebt Gewohnheiten – unter Stress wendet das Gehirn lieber gewohnte Automatismen an.
Was können mögliche Reaktionen auf zu viel Stress sein?
Eins sei schon mal gesagt: Wir verhalten uns unter Stress meist nicht rational, machen seltsame Sachen und zeigen uns nicht von unserer besten Seite. Das kann sich vielfältig bemerkbar machen:
- wir geben noch mehr Gas
- wir werden noch schneller und agieren hektischer
- wir werden laut, irrational und aufbrausend
- wir verhalten uns fahrig, uns fällt was runter, wir ecken irgendwo an
Das sind typische Verhaltensmuster, wenn wir so richtig dick in der Stresswolke stecken und unsere Ressourcen nicht mehr in greifbarer Nähe sind. Vielleicht kennst du noch weitere Verhaltensmuster von dir – oder du hast dich wiedererkannt.
Dann lies weiter, was hilft!
Entspannung ist das Tor zur Stressbewältigung
Wir haben also gerade erfahren: Es gibt ein Stresssystem, das gerne auf Automatismen zurück greift. Wenn es so richtig drunter und drüber geht, haben wir zudem keinen Zugriff mehr auf unser Stärkensystem, das ganz viele Ressourcen für uns bereit hält.
Wie aber bekommen wir wieder Zugriff zu unseren hilfreichen Ressourcen? Stell dir dazu vor, dass unser Rechner – der Arbeitsspeicher unseres Gehirns – erstmal abkühlen muss und wir unserem Stress-System Anhaltspunkte geben müssen, dass alles in Ordnung ist, dass wir sicher sind.
Der einzige Weg, um wieder klar denken zu können – oder auch den Rechner und die Ratio wieder hochzufahren und dann wieder auf deine Ressourcen und Stärken zuzugreifen – ist: Ruhe und Entspannung einkehren lassen. Erst dann lichtet sich der Himmel, die Stresswolke löst sich auf und wir können wieder gestärkt, rational, motiviert und gesund den Alltag bewältigen.
Wie die Entspannung das System wieder beruhigt
Wir halten also fest: Zur Anspannung gehört die Entspannung! Sie sind unwiderruflich miteinander verbunden, wie Tag und Nacht. Und auch wie beim Stress gibt es bei der Entspannung nicht die eine Maßnahme für jeden: auch Entspannung funktioniert von Mensch zu Mensch ganz anders.
Aus diesem Grund ist einer unserer ersten Schritte im Coaching immer: Wir schauen uns an, was dich wieder in die Entspannung bringt. Kurzfristig und langfristig.
Wir haben hier ein paar Ideen für dich, wie du selbst herausfindest, was dich in die Entspannung bringt:
Du startest damit:
Hinterfrage dein Motiv
Welche Gründe gibt es für dich, mehr entspannte Momente in deinen Alltag zu bringen? Vielleicht: “Weil ich dann besser an meine Ressourcen rankomme!” oder “Ich raste nicht mehr so häufig aus, ich bin entspannter, ich kann den Moment genießen, ich vertrage mich dann besser mit meiner Familie!…” Finde dein Motiv und triff eine bewusste Entscheidung, dich zu entspannen.
Überleg dir was
Wie kannst du in deinen Alltag Pausen einbauen? Worauf hast du Lust? Wie kannst du dich dabei entspannen? Für den einen ist es Sport und Bewegung. Für den anderen ist es perfekt, wenn er Ruhe findet. Der nächste findet kleine nette Gespräche besonders wohltuend.
Tipps für kurzfristige Maßnahmen
- Atemübungen. Besonders in stressigen Momenten ist es gut, mal tief ein und auszuatmen, bevor man auf den Stressor reagiert.
- Musik hören
- Sport machen oder einfach nur bewegen in der Natur, an der frischen Luft
- Auszeiten, nehmen die einem gut tun
- Achtsamkeit praktizieren
- Kochen
- Mit anderen Menschen austauschen
Tipps für langfristige Maßnahmen
- Entspannungstechniken ausprobieren (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung),
- Meditation
- Yoga
- Lass dich auf ein Stress-Coaching ein
- Entwickle innere Stärke mit einem Resilienztraining
Fazit:
Jeder von uns benötigt Auszeiten, um Stress abzubauen und in Balance zu kommen. Besonders wichtig: Damit du Zugang zu all deinen wunderbaren Fähigkeiten und Ressourcen hast, musst du dich aus der Stresswolke bewegen. Und das Tor dazu liegt in der Entspannung. Wie die “Entspannung” genau aussieht, ist für jeden etwas anderes, was es herauszufinden gilt.
Woran wir glauben: Jeder Mensch sollte mindestens eine Entspannungsmethode kennen, können und regelmäßig anwenden. Besonders wertvoll: Meditation sollte wie das Zähneputzen zum Alltag gehören – und übrigens: Mit dem Zähneputzen hast du nicht auch erst angefangen, als die Zähne schon weh taten.
Es gibt folgende Faustregel: Viele kleine Pausen sind effektiver als wenig lange Pausen.
Unser Appell an dich: Du hast es in der Hand. Nur du kannst die Entscheidung treffen, ob und wie du in die Entspannung kommen willst. Eins ist klar: Wenn du keine klaren Entscheidung triffst, überlässt du deine Entspannung dem Zufall – mit dem Resultat, dass du in einer dicken Stresswolke stecken bleibst.
Aus diesem Grund starten wir im Anti-Stress-Coaching oft damit, dass wir deine Stresswolke erst mal ein wenig luftiger gestalten: Wir bringen dich in einen entspannten Zustand, wir schauen, wie du Energie für System herbekommst, wir sortieren deine Festplatte und kühlen dein System, sodass es nicht zu einem Systemcrash kommt.
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