Die gemeine Negativitätsverzerrung - Warum sehen wir vieles so negativ?

Die gemeine Negativitätsverzerrung: Warum sehen wir vieles so negativ?

Kennst du auch Situationen wie diese?

  • Dein Chef lobt dich über den grünen Klee, aber du bleibst trotzdem an dem winzigen bisschen Kritik hängen, das er dir vermittelt?
  • Der ganze Tag lief spitzenmäßig, trotzdem ärgerst du dich noch immer über den dummen Kommentar eines Kollegen, der eigentlich nicht weiter schlimm ist?
  • Obwohl die Wetterprognose fantastisch für die nächste Woche ist, konzentrierst du dich auf die Regenwolken, die vielleicht am Dienstag Abend aufkommen könnten?

Traurig, aber wahr: Wir Menschen neigen leider dazu, negative Dinge stärker zu bewerten. Warum ist das so? Dafür gibt es einen spannenden Fachbegriff: die Negativitätsverzerrung.

Was ist die Negativitätsverzerrung?

Mehrere Studien zeigen: Wir Menschen verarbeiten positive und negative Informationen unterschiedlich. Im Durchschnitt neigen wir dazu, negative Informationen stärker zu bewerten:

  • Negative Verhaltensweisen und Ereignisse bleiben länger in unserem Gedächtnis hängen: Du erinnerst dich an das Beispiel mit dem dummen Kommentar des Kollegens von oben?
  • Negative Emotionen werden schneller wahrgenommen: Angst, Wut oder Ärger spüren wir tendenziell schneller und stärker als Freude oder Entspannung.
  • Negative Informationen über eine bisher unbekannte Person haben stärkeres Gewicht als positive Informationen: „Der ist arrogant“ wirkt stärker auf uns als „Der ist ein netter Kerl.“
  • Menschen reagieren stärker auf negatives als auf positives Feedback: Da haben wir es wieder, das Beispiel mit Lob und Kritik von deinem Chef.

Oftmals treffen wir nicht die Wahl, stattdessen laufen die Prozesse in unserem Gehirn automatisch ab. Eigentlich komisch, oder? Sollten wir nicht intuitiv dazu tendieren, uns positiven Dingen zuzuwenden?

Die Evolution! Oder: Warum negative Dinge wichtiger fürs Überleben sind.

Die Forschung sieht die Ursachen der Negativitätsverzerrung in der Evolution. Das Prinzip ist einfach:

  • Was passiert, wenn wir positive Informationen ignorieren? In der Regel ist das nicht dramatisch: Vielleicht bedauern wir das oder lassen die Chance aus, echte Freude zu empfinden. Zumindest kurzfristig ist das nicht weiter schlimm.
  • Was passiert, wenn wir negative Informationen ignorieren? Tja, das kann ganz schnell kritisch werden: Einer unserer Urahnen erkennt das Signal eines nahenden Feindes nicht? Das ist schlecht!

Ein Beispiel:
Ignoriert ein Mensch den schönen Regenbogen, kann er im Nachhinein darüber Bedauern empfinden. Ignoriert er jedoch das laute Hupen eines Autos, kann dies im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein.

Dummerweise sagt die Forschung aber auch noch etwas anderes: Obwohl unser Gehirn evolutionär von negativen Informationen wie magisch angezogen wird, führt eine übermäßige Konzentration auf Negatives zu einem geringeren Wohlbefinden. Glück, Freude und Optimismus fühlen sich nun einmal deutlich besser an als Angst, Anspannung und Wut.

Doch die Negativitätsverzerrung ist tückisch: Sie verursacht nämlich einen Teufelskreis.

Der Teufelskreis der Negativitätsverzerrung

Wir Menschen sind als auf Negatives geprägt. Spielen wir mal ein Beispiel durch:

  1. Negative Informationen werden schneller erkannt: Stell dir vor, ein Kollege kritisiert dich für deine letzte Präsentation.
  2. Es ist schwieriger, sich von negativen Informationen zu lösen: Du grübelst den ganzen Tag darüber nach.
  3. Es werden negative Emotionen ausgelöst, z.B. Ärger, Wut, Sorge: Du ärgerst dich über den Kommentar des Kollegens und sorgst dich um deine nächste Präsentation.
  4. Dies wiederum erhöht die Aufmerksamkeit für negative Ereignisse: Weil du in deinen negativen Gedanken und Gefühlen festhängst, bist du angespannter zu Hause und ärgerst dich über deinen Partner – wir sind wieder bei Schritt 1.
Grafik zur Negativitätsverzerrung: Erkennen, Loslassen und Gefühle

Ein Teufelskreis wurde gestartet! Hierbei solltest du wissen: Diese Verzerrung läuft üblicherweise auf einer unbewussten Ebene ab. Oft bemerken wir gar nicht, wie wir in diesen Kreislauf hineingeraten. Wozu führt das? Wir hängen im Kreislauf fest und spüren vielleicht nur: „Hey, momentan läuft es echt nicht gut für mich.“

Heißt „Teufelskreis“ nun, dass du nichts dagegen tun kannst? Das wäre ja schlimm! Doch es gibt gute Nachrichten:

Was du gegen die Negativitätsverzerrung tun kannst

Die Schlüsselworte lauten: Aufmerksamkeit, Bewusstsein. Sobald du dir über diesen Kreislauf bewusst bist, kannst du aktiv dagegen angehen und ihn durchbrechen. Folgende Tipps helfen dir weiter:

  • Mach dir diesen Kreislauf immer wieder bewusst! Sobald du die Mechanismen kennst, kannst du auch konkret dagegen angehen.
  • Mache dir bewusst, welche positiven Dinge du im Alltag erlebst. Forschungen zeigen, dass wir 3x mehr positive als negative Dinge im Alltag erleben – wir müssen sie nur wahrnehmen!
  • Notiere für ein paar Tage deine Gedanken und Gefühle: Was geht dir durch den Kopf – und wie fühlst du dich dabei? Viele Menschen stellen so schnell fest, was ihnen gut tut, und was nicht.
  • Führe ein Dankbarkeitstagebuch und bemerke, wie viele Positives dir täglich widerfährt!
  • Übe dich in Achtsamkeit, hole dich zurück in den aktuellen Moment, statt ständig über Vergangenes oder über die Zukunft zu grübeln.

Fazit

Manchmal macht unser Hirn es uns wirklich nicht leicht: Um unser Leben zu retten, gewichtet es negative Informationen automatisch höher. Was in Ausnahmesituationen wertvoll und gut ist, kann uns jedoch im Alltag ziemlich mitnehmen: Sobald wir im Kreislauf der Negativitätsverzerrung landen, wirkt sich dies erheblich auf unser Wohlbefinden aus. Können wir dagegen etwas tun? Jawohl, das können wir! Befolge die oben genannten Tipps, und du tust aktiv etwas gegen den Teufelskreis.

Bildnachweis: Priscilla Du Preez on Unsplash

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